Chronische Müdigkeit durch Herpes
Monatelange Schwäche wie nach einer Grippe. Ständig müde auch nach noch so langem Schlaf. Zu erschöpft, um regelmäßig die Mahlzeiten einzunehmen. So beschreiben Patienten ihr Leben mit einem rätselhaften Leiden. Wissenschaftler haben jetzt eine Ursache entdeckt.
Am chronischen Erschöpfungssyndrom oder Chronic Fatigue Syndrom (CFS) sind nach Schätzungen des Bundesgesundheitsministeriums etwa 300.000 Menschen in Deutschland betroffen. Anders als normale Müdigkeit nach körperlicher Anstrengung lässt sich chronische Erschöpfung nicht durch ausreichend Schlaf oder Entspannung überwinden. Die Betroffenen fühlen sich durch die manchmal jahrelang auf ihnen lastende bleierne Müdigkeit in ihrem Tagesablauf und in der beruflichen Leistungsfähigkeit stark eingeschränkt.
In der Folge kommen oft weitere gesundheitliche Einschränkungen wie Konzentrationsschwäche, Schwindel oder Benommenheit hinzu. Die Ursache für CFS ist bis heute ungeklärt, eine Therapie deshalb schwierig. Lange Zeit galten psychische Ursachen als auslösend. Auffällig ist jedoch, dass sehr oft Menschen betroffen sind, deren Immunsystem überlastet ist.
Hinweise darauf liefern US-Studien, die das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg ausgewertet hat. Diese zeigen, dass Tumorpatienten häufiger an CFS leiden als an anderen Symptomen. Zwischen 60 und 90 Prozent der Krebspatienten, die sich einer Chemotherapie oder Strahlentherapie unterziehen, sind davon betroffen. Anhaltende, unerklärliche Müdigkeit markiert nicht selten den Beginn einer Krebserkrankung.
Auch dann laufen massive Abwehrreaktionen im Organismus ab. Ebenfalls stehen Infektionen mit Viren wie Borna, Eppstein-Barr, Humanes Herpes oder Zytomegalie im Verdacht, CFS auslösen zu können. Sie rufen Immunreaktionen aus, die möglicherweise zu chronischen Erschöpfungszuständen führen.
Hinweise auf einen solchen Mechanismus hat jetzt ein Forscherteam unter Leitung von José Montoya, von der Stanford School of Medicine erhalten. Die Forscher hatten bei einer Patientin, die seit fünf Jahren an CFS litt, stark geschwollene Lymphknoten und einen extrem hohen Antikörperspiegel gegen Viren vom Herpestyp festgestellt. Die Patientin wurde daraufhin mit Valganciclovir behandelt, ein Medikament, das gegen die Infektion von Viren aus der Herpesfamilie eingesetzt wird. \"Wenige Wochen später hatte die Patientin die chronische Müdigkeit überwunden. Sie konnte wieder eine reguläre Berufstätigkeit aufnehmen und sogar Radtouren unternehmen\", berichten die Wissenschaftler.
Der Erfolg brachte sie auf die Idee, weitere CFS-Patienten mit dem Medikament zu behandeln. Insgesamt erhielten 25 Patienten das Mittel. Davon geht es 21 deutlich besser, darunter ist auch ein Patient, der seit über 18 Jahren an dem Erschöpfungssyndrom leidet. Die Ergebnisse haben die US-Wissenschaftler in der Ausgabe des Journal of Clinical Virology vom Dezember 2006 veröffentlicht. Nun bereiten sie eine klinische Studie vor, in der die Wirkung des Mittels auf eine größere Gruppe von CFS-Patienten systematisch untersucht werden soll. \"Dann könnte das Medikament mindestens in jenen Fällen helfen, wenn Viren die Funktionen des Zentralnervensystems gestört haben\", schreiben die Wissenschaftler.
Immunsystem und Zentralnervensystem sind wechselseitig vielfach miteinander vernetzt. Die Forscher hoffen damit zugleich auf einen umfassenderen Ansatz für eine Therapie bei CFS.
URL: http://www.welt.de/welt_print/article747879/Chronische_Muedigkeit_durch_Herpes.html
- Editiert von Maria am 08.03.2007, 13:31 -