WDR3 - MARKT, Sendung vom 23. August 1999,Insektengift in der Wohnung
Von Jörg Heimbrecht,
Thomas Lagies aus Hamburg ist erst 38 Jahre alt und schon unheilbar krank. Die Ärzte haben bei ihm eine schwere Schädigung des Nerven- und Immunsystems festgestellt. Die Berufsgenossenschaft hat ihn als schwerbeschädigt anerkannt.
markt: "Welche Gesundheitsstörungen und Gesundheitsschäden haben Sie heute?" Antwort: "Dass man körperlich absolut nicht belastbar ist. Man bricht zusammen sowie man irgendwie was Schweres tragen will. Dass die Hände taub werden, dass man regelrechte Lähmungserscheinungen im rechten Bein hat. Man kann sich nicht mehr konzentrieren. Eine längere Zahlenkolonne im Kopf behalten geht nicht.
Lagies hat drei Jahre als Hausmeister in einer Aussiedler- und Asylbewerberunterkunft in Hamburg-Billstedt gearbeitet, da wurde er krank. Durch Insektengifte, die alle paar Wochen gegen Küchenschaben versprüht wurden. Eine Hauptursache: Dichlorvos, das auch in vielen Insektensprays als Wirkstoff enthalten ist.
Norbert Weis, Toxikologe vom Bremer Umweltinstitut zu markt: "Dichlorvos ist eine chemische Substanz, die zur selben Substanzgruppe gehört wie die chemischen Nervenkampf- stoffe oder auch das bekanntere E 605. In hohen Dosen führt das zum Tode, aufgrund von Atemlähmung. In Dosen, wie sie im Innenraum vorkommen, führt es zu Kopfschmerzen,Übelkeit, Erbrechen, Konzentrationsstörungen, zu einer verminderten Atmung. Dichlorvos wird häufig in Kombination mit anderen Insektenvertilgungsmitteln angewandt, was zu einer Wirkungsverstärkung führt, die zu lebenslangen Schäden führen kann, sei es zu Lähmung- en, Gedächtnisstörungen, Konzentrationsstörungen, ähnlich wie wir das von den Holz- schutzmitteln her auch kennen.Seit Jahrzehnten gibt es ungiftige Alternativen zur chemischen Keule: Das Fliegengitter am Fenster, oder den Fliegenfänger, der nur Leim enthält. Trotzdem gehen dank aufwendiger Werbung jedes Jahr für 128 Millionen Mark Gifte zur Insektenbekämpfung im Haus über den Ladentisch. Und Jahr für Jahr werden Hunderte durch Mittel krank, die man in jeder Drogerie kaufen kann. Ohne FCKW, unschädlich für die Ozonschicht wird geworben, natürlicher Wirkstoff Pyrthrum, der in Chrysanthemen vorkommt. Dass der ebenso wie Dichlorvos unter Krebsverdacht steht, kann man nicht auf der Dose nachlesen. Und Dichlorvos ist eines der gefährlichsten Insektengifte.Prof. Wolfgang Lingk vom Bundesinstitut für Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BGVV) zu markt: "Dichlorvos-haltige Mittel verteilen sich in der Innenraumluft. Es entstehen hohe Konzentrationen, und damit sind gesundheitliche Schäden oder Beeinträchtigungen nicht auszuschließen. Deswegen haben wir vor über 20 Jahren schon vor der Anwendung von derartigen Mitteln im Innenraum gewarnt.
Hersteller Bayer dagegen hat stets behauptet, Insektenstrips und -Sprays mit Dichlorvos seien für Menschen harmlos, weil bei korrekter Einhaltung der Gebrauchsanleitung alle Grenzwerte eingehalten würden. Aber das hat noch keine Behörde überprüft. Das renommierte Bremer Umweltinstitut hat jetzt nachgemessen. Ein handelsüblicher Insektenstrip, aus dem Dichlorvos verdampft, wird in einem Untersuchungsraum aufgestellt. Jeden Tag wird die Giftkonzentration in der Luft gemessen. Norbert Weis vom Bremer Umweltinstitut zu markt: "Wir haben Dichlorvos in hohen Konzentrationen in der Raumluft nachgewiesen. Es wird über die Atemluft aufgenommen. Es kann sich aber auch an Nahrungsmittel anlagern und wird über die Nahrung aufgenommen. Und es lagert sich an Textilien an, was zu einer Aufnahme über die Haut führt. Auch wenn man der Raum schon verlassen hat oder den Insektenstrip abgehängt hat, führt es noch zu einer Belastung, die zu Gesundheitsschäden führen kann.
Der Grenzwert, den die Weltgesundheitsorganisation WHO bei Menschen gerade noch für vertretbar hält, wird nach den Analysen des Bremer Umweltinstituts bis zu 200-fach überschritten. Aber das ist immer noch kein Grund für ein schnelles Verbot.
Prof. Wolfgang Lingk: "Es gibt in Deutschland kein
Zulassungsverfahren. An dieser Stelle konnten wir nicht tätig werden. Wir konnten immer nur Vorschläge unterbreiten. Es hat sehr lange gedauert. Das haben wir immer sehr bedauert, dass die Bundesregierungen unsere Vorschläge für eine restriktive Handhabung nicht aufgegriffen haben.
Erst im nächsten Jahr will Gesundheitsministerin Andrea Fischer die chemische Industrie per Gesetz verpflichten, nur noch für Menschen ungefährliche Insektenmittel zu verkaufen, wie es inzwischen sogar die industriefreundliche europäische Union vorschreibt.
Und auch dann wird es wohl noch Jahre dauern, bis alle Uraltgifte mit Wirkstoffen, wie Dichlorvos und Pyrethroiden überprüft sind und endlich dahin kommen, wo sie hingehören: auf die Giftmülldeponie.
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a. Interessengemeinschaft der Pyrethroid-Geschädigter in der IHG e.V. ,Unterstaat 14, 51766 Engelskirchen, Tel. (0 2263-901422 Fax. 02263-901423
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http://www.dsk.de/rds/16985014.htm
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a. Deutscher Schädlingsbekämpfer-Verband, Untere Str.24, 69514 Laudenbach, tel. 06201-46628, Fax. 06201-46526 dieser Verband nennt Schädlingsbekämpfer in Ihrer Nähe. Nur qualifizierte und hauptberuflich tätige Betriebe sind organisiert.
a. Dr.med. Gabriele Leng, fachbereich Hygiene, heinrich-Heine-Uni., Universitätsstr.1, 40225 Düsseldorf, tel. 0211-8112607, Fax. 0211-8112619. Das Institut für Hygiene möchte in einer groß angelegten Studie herausfinden, wie gross eine mögliche Gesundheitsgefährdung durch eingesetzte Pyrethroide im Haushalt tatsächlich ist.Betroffene, die sich an der Studie beteiligen wollen, sollten sich unbedingt, bevor der Schädlingsbekämpfer kommt, an das institut wenden.
a. Prof. Dr. Heinz Mehlhorn, Institut für Zoomorphologie, Zellbiologie und Parasitologie, Heinrich- Heine - Universität, Universitätstr.1, 40225 Düsseldorf, tel. 0211-8113052 Fax. 0211-8114499, Insektenbestimmung kostenlos, Die toten Tiere im Umschlag (mit Tesa festgeklebt oder in einer Streichholzschachtel) an das Institut senden. Der Insektenbestimmung folgen Tips und Ratschläge zum weiteren Vorgehen und zum Vermeiden der Tiere.
a. Industrieverband Agrar e.V. /IVA, Karlstr.21, 60329 Frankfurt, Tel. 069-2556-1281, Fax.069-236702
a. Bundesverband die Verbraucherinitative e.V., Breite Str. 51, 53111 Bonn, Tel. 0228-7263393 Fax. 0228-7263399, e-mail:Verbraucher_Ini@csi.com