"5 Musterurteile zu MCS?
Bislang gibt es keinerlei Urteile, in denen eine Berufskrankheit,
Schwerbehinderung oder Erwerbsminderung explizit auf
das Vorliegen einer MCS gestützt wurde. Die Gerichte sind in
diesem Bereich nach den Erfahrungen unserer Kanzlei auch
geneigt, Anerkennungsverfahren möglichst ohne Urteil zu beenden,
indem die Parteien sich vergleichen. Unsere Kanzlei
konnte beispielsweise vor Kurzem in einem Verfahren errei
chen, dass ein Landessozialgericht die BfA darauf hinwies,
dass diese ein für Sie negatives Urteil zu gewärtigen hätte.
Um ein medienwirksames Urteil zu vermeiden, schlug das
Gericht der BfA vor, einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente
anzuerkennen. Auf diese Weise werde vermieden, dass
durch Presseberichterstattung, zu der es bei Erlass eines entsprechenden
Urteils sicherlich käme, der Eindruck vermittelt
werde, MCS begründe immer eine Erwerbminderung und
einen entsprechenden Rentenanspruch. Die Medien würden
sicherlich nicht ausreichend differenziert berichten, so dass
nicht klar würde, dass es in dem vorliegenden Fall Besonderheiten
des Einzelfalls gegeben habe, die zu einer Bejahung
eines Rentenanspruchs geführt hätten. Aufgrund dieser
Gerichtspraxis und der Tatsache, dass auch für den Kläger
ein Restrisiko verbliebe, wenn er sich einer vergleichsweisen
Beendigung des Rechtsstreits verschlösse und ein Urteil riskieren
würde, wird es auch in den nächsten Jahren eher unwahrscheinlich
sein, dass es zu Musterurteilen kommt, die explizit
auf MCS abstellen.
6 Resümee
Als Resümee ergibt sich, dass es weiterhin schwierig bleibt,
auf der Grundlage einer MCS eine Erwerbsminderung oder
eine Schwerbehinderung anerkannt zu bekommen. Will man
die Chancen solcher Verfahren steigern, so stellen sich angesichts
der vorliegenden Studien nur zwei Alternativen: Entweder,
man macht sich das Ergebnis der RKI-Studie und des
SRU-Gutachtens zu Eigen und geht davon aus, dass weiterer
Forschungsbedarf besteht. Dann müssen weitere Studien
beauftragt werden, an denen erneut alle unterschiedlichen
Ansichten beteiligt werden müssten, um letztlich doch noch
zu einem von allen anerkannten Konsens zu gelangen. Diesen
Konsens zu erreichen, erscheint aber sehr unwahrscheinlich,
so dass man auf diesem Weg in der "Konsensfall" landet:
Man sucht den Konsens, doch man findet ihn nicht,
erneut ist das Ergebnis von Folgestudien die Uneinigkeit und
weiterer Forschungsbedarf.
Der zweite Weg wäre derjenige, sich auf die Ergebnisse zu
berufen, die vorliegen und die geltend gemachten Ansprüche
stützen. Hier bleibt das Problem, dass die vorhandenen
Ergebnisse noch dünn sind und nicht allgemein anerkannt.
Welcher Weg vorzugsweise zu beschreiten ist, ist letztlich
eine Gewissensfrage."
Umweltmed Forsch Prax 10 (6) 2005
Rechtliche Konsequenzen aus der MCS-Studie 2003
und dem SRU-Gutachten 2004
Burkhard Tamm
http://www.ecomed-medizin.de/sj/ufp/Pdf/aId/7817