KVWL Leitfaden Umweltmedizin
Seite 50ff
"5.3 Spezifische Therapien
Bei den umweltmedizinisch verursachten Erkrankungen haben wir es in aller Regel mit den aus
Studium, Klinik und Praxis bekannten Erkrankungen zu tun (z. B. Lärmschwerhörigkeit, Lungenkrebs,
Konjunktivitis usw.) Diese werden (neben der Expositionsvermeidung) in der üblichen Art
und Weise therapiert. Darüber hinaus wird versucht, spezifisch umweltbedingte Krankheitsentitäten
neu zu bestimmen, z. B. die „Multiple Chemikaliensensitivität“ (MCS), das „Holzschutzmittel-
Syndrom“ (HMS), das „Chronische Müdigkeitssyndrom“ (CFS), das „Sick-Building-Syndrom“ (SBS)
u. ä. vegetative Beschwerdekomplexe sowie Befindlichkeitsstörungen. Die Meinungsbildung über
die Abgrenzbarkeit dieser Syndrome gegenüber bekannten Erkrankungen bzw. psychosomatischen
Krankheitsbildern ist noch nicht abgeschlossen; mangels gesicherter Erkenntnisse über die
Pathogenese und Pathophysiologie können auch keine zuverlässigen Therapiekonzepte angegeben
werden.
Zur Behandlung akuter Vergiftungen sei auf die entsprechenden toxikologischen Lehrbücher verwiesen.
5.4 Unspezifische Therapien
5.4.1 Patientenführung
Zur Vermeidung der Entwicklung von Umweltängsten, Resignation und Ohnmachtsgefühlen ist
bei nachgewiesenen oder vermeintlichen Schadstoffbelastungen unbedingt eine einfühlsame und
behutsame Auseinandersetzung mit den Besorgnissen des Patienten notwendig.
Dazu gehören der sichere Ausschluss von nicht vorhandenen Noxen (soweit möglich), klare Aussagen
auf der Basis fundierter Weiterbildung über die Gefährlichkeit der schädlichen Agentien,
Hinführung der Gedanken auf die tatsächlich vorhandenen (nicht spekulierten) Gefahren. Dabei
wirkt billige Beruhigung eher kontraproduktiv, weil sich der Patient nicht ernst genommen fühlt.
Bei Umweltpatienten ist oft eine enge ärztliche Führung notwendig. Hilfreich können Hinweise
auf eigenverantwortliche Gesundheitsstärkung des Patienten sowie Eröffnung von Aktivitäten im
Umweltschutzbereich sein....
5.4.2 Vermeidung zusätzlicher Gesundheitsbelastungen
Keine umweltmedizinische Beratung ohne Raucherberatung! Die Bedeutung des Rauchens wird
sowohl von Ärzte- als auch Patientenseite immer noch nicht in der richtigen Größenordnung im
Vergleich zu anderen Umweltnoxen anerkannt. Ähnliches gilt für Alkohol. Ansonsten ist zu raten,
dass schlecht gelüftete Wohnungen, Schimmelpilzbelastungen, ungünstige klimatische Einflüsse,
Autoabgase (insbesondere Dieselabgase), Lärm sowie belastete Lebensmittel vermieden werden
sollen....
5.5 Sonstige Allgemeinmaßnahmen
Der Nachweis klinischen Nutzens steht bei zahlreichen Verfahren noch dahin, z. B. bei der hoch
dosierten Gabe von Vitaminen und Spurenelementen (sog. orthomolekulare Medizin), von neurotropen
Vitaminen bei Polyneuropathien, von Selen und Zink (Zentralatomen antioxydativer Enzyme)
und von Acetylzystein (als Präkursor des Glutathions als Antioxydans bzw. entgiftendes Konjugationsmittel)
oder von Chelatbildnern (bei Schwermetallbelastung) sowie von Immunstimulantien
(z.B. Mistellektinen, Thymuspeptiden). Auf die bei diesen Verfahren möglichen unerwünschten
Nebenwirkungen sei hier nochmals besonders hingewiesen..."
http://www.kvwl.de/arzt/kv_dienste/fortbildung/umweltmedizin/umwelt.pdf