Müdigkeit
DEGAM-Leitlinie Nr. 2
Seite 16
2.2.4.5 Multiple Chemical Sensitivity
Auch dieses Syndrom, das Müdigkeit mit umfasst, wird in Bezug auf Nosologie
und Ätiologie kontrovers diskutiert (179). Es wird von manchen
Autoren eine Schädigung durch sehr niedrige Konzentrationen mehrerer
Chemikalien gleichzeitig angenommen. Bisher steht ein Nachweis der Validität
dieses Zusammenhangs aus (180-184). Ebenso wie bei vermuteter
Amalgambelastung gibt es hier eine Assoziation mit psychischen Störungen
(185-187). Überzeugende Belege für eine Entstehung von Müdigkeit
durch elektromagnetische Felder liegen nicht vor (188-190).
Seite 24
Diagnosen wie CFS, Multiple Sensitivity-Syndrom, Amalgam-Belastung,
Elektromagnetische Überempfindlichkeit usw. werden oft von Patienten
selbst als Erklärung für ihre Beschwerden vorgebracht. Ärzte und Patienten
müssen sich gemeinsam um Erklärungen für diesen schwierigen Bereich
bemühen, gegensätzliche Auffassungen respektieren und eine biopsychosoziale
Sicht erarbeiten (187). Von allgemeinärztlicher Seite muss
ein Gegensteuern versucht werden, wenn bestimmte Auffassungen von
Patienten zu schädlichen Verhaltensweisen führen (Inaktivität, soziale Isolation,
Doctor-Shopping usw.).
Seite 27
Bei übertriebener somatischer Diagnostik besteht immer die Gefahr gemeinsamer
Somatisierung von Arzt und Patient.
Seite 43
Bei unspezifischen Befindensstörungen, die ohne pathologische somatische
Befunde oft mit starker Beeinträchtigung einhergehen, ist für Patient
und Arzt die Versuchung groß, sich vorschnell auf unzureichend
belegte (Pseudo-)Diagnosen zu einigen. Diese Etikettierungen entsprechen
z.B. biologischen (Eisenmangel, Hypotonie, Hypoglykämie), umweltmedizinischen
(MCS, Amalgambelastung, Allergien), infektiösen
(postvirale Syndrome, Candida) u. a. Hypothesen. Ihnen ist gemeinsam,
dass die entsprechenden Zusammenhänge wissenschaftlich nicht
dokumentiert oder sogar widerlegt, nicht plausibel und/oder im Einzelfall
nicht nachgewiesen sind. Allerdings fühlen sich Patienten häufig
mit solchen Diagnosen ernst genommen und entlastet. Problematisch
sind diese Etikettierungen, wenn sie einseitig somatisch ausgerichtet
sind oder ein notwendiges abwartendes Offenhalten verhindern. Damit
führen sie bei Arzt und Patient oft zu einer eingeengten Perspektive,
welche sowohl komplexe psychosoziale Faktoren außer Acht lässt und
entsprechende Lösungsmöglichkeiten verstellt (253), wie auch sich
anbahnende abwendbar gefährliche Verläufe vorschnell ausschließt.
Seite 48
Die Berücksichtigung der Besonderheiten im Interaktionsverhalten von
Patienten mit somatoformen Störungen führt zu therapeutischen Vorteilen
und Kostenvorteilen (286).
Seite 56
Diese Leitlinie wurde 2002 veröffentlicht und 2006 sowie 2010/11 überarbeitet.
Verantwortlich für die kontinuierliche Fortschreibung, Aktualisierung und
Bekanntmachung ist die Ständige Leitlinienkommission der DEGAM.
Eine erneute Überarbeitung ist vorgesehen bis 2015.
http://leitlinien.degam.de/uploads/media/DEGAM_LL_Muedigkeit_Langfassung_2011_2.pdf