103. Kommentar von: Bronski
Geschrieben am 22. November 2007 um 10:50 Uhr
Liebe KommentatorInnen,
zunächst mal vielen Dank für Ihr engagiertes Auftreten. Ich persönlich kann einerseits nachvollziehen, dass Sie sich in dem hier zur Diskussion stehenden Artikel nicht so recht wiederfinden. Allerdings möchte ich anmerken, dass dieser Artikel bei manchen offenbar doch auch Reflexe zu bedienen scheint, die ein bestimmtes Abwehrverhalten nach sich ziehen. Natürlich - wer möchte schon gern in die "Psycho-Ecke" gestellt werden. Dabei argumentieren Sie dann aus der entgegengesetzten Ecke teils genauso pauschal, wie Sie es Frauke Haß unterstellen: Aus dieser Perspektive hat Frauke Haß Ihnen jegliche Berechtigung abgesprochen, in Ehren an MCS erkrankt zu sein. Hat sie nicht.
Es hat in der Redaktion eine Diskussion und einen Klärungsprozess gegeben, in dessen Folge ich bestimmte Formulierungen aus dem Brief an Frau Steltz, den sie im Forum veröffentlicht hat, zurücknehme. Frauke Haß konnte ihre Position nachvollziehbar begründen. So hat sie in ihrem Text den Kenntnisstand der Forschung und Therapie in Deutschland wiedergegeben. Dabei hat sie im Wesentlichen drei Positionen berücksichtigt bzw. gegeneinander gestellt: die des ungeliebten Professors Eikmann, die von Dr. Schwarz und die von Hildegard Jung, deren persönliche Stellungnahme zu dem Artikel ich später auch auf der Leserbrief-Seite veröffentlicht habe. Was in dem Text m. E. fehlt, ist ein Überblick über den Stand der internationalen Forschung. In diesem Zusammenhang bleibt aber festzuhalten: Die Diagnostik allergischer Erkrankungen ist fortgeschritten, ihre Therapie nicht. Auch anerkannte Koryphäen wie Dr. Schwarz können nichts anderes tun, als ihren Patienten Vitamin- und Mineralstoffpräparate zu geben. Außerdem erhalten die Patienten in Bredstedt eine Art von Verhaltenstherapie, indem sie Vermeidungsstrategien erlernen. Zudem wird das an Reizstoffen arme Klima in Bredstedt das seine tun, um eine gewisse Entspannung zu erreichen.
Ich bin gewiss kein Fachmann in Sachen MCS, und ich konnte auch nicht alles nachlesen, was in diesem Thread geschrieben wurde. Im Zuge dieser Auseinandersetzung ist mir aber klar geworden, dass MCS medizinisch gesehen eine höchst diffuse Sache ist und dass die Medizin weitgehend hilflos ist. Das ist m. E. auch in dem Artikel herausgekommen. Daher wäre das erste, was nun nötig wäre, ein eindeutiges Erklärungsmodell. Darüber streitet die medizinische Forschung indess seit Jahrzehnten. Auch der neueste Ansatz, der die beiden konträren Positionen eines rein psychiatrischen und eines rein physiologischen Krankheitsmodells zusammenzubringen versucht, entwirft ein bio-psycho-soziales Entstehungsmodell, kommt also ohne Psychologie nicht aus.
Ehrlich gesagt verstehe ich nicht ganz, warum manche/-r hier so stark auf das physiologische Modell abhebt. Wenn die Medizin in den vergangenen Jahrzehnten eines gelernt hat, denn doch wohl dies: Der Mensch ist nicht einfach nur ein Mechanismus, dessen Funktionieren allein durch biologische, chemische, genetische oder elektrische Prozesse zu erklären ist. Der Mensch in seiner Gesamtheit ist mehr. Ein ganzheitlicher Ansatz wird auch im Fall von MCS - neben dem Physiologisch-Mechanischen - die Patienten in ihrer Gesamtheit einzubeziehen versuchen. Soll heißen: Wenn Verhaltenstherapie bei der Linderung der Symptome - mehr ist ja nicht möglich - helfen kann, dann gibt es m. E. keinen Grund, diese Formen der Behandlung zu vernachlässigen.