Was die Autoren Norbert Busè und Kathrin Sondereggerüber ihre Arbeit zum Film berichten:
Chemiefreies Filmen
Die Autoren über einen außergewöhnlichen Dreh
"Durch eine Zeitungsmeldung sind wir auf MCS aufmerksam geworden und wollten mehr über diese rätselhafte und fast unbekannte Krankheit erfahren. Wir wollten herausfinden, wie MCS-Kranke in unserer chemisch beeinflussten Umwelt überleben können. Die oft als "Ökochonder" oder Simulanten abgestempelten Kranken haben es nicht leicht. Das wurde uns nach ersten Recherchen klar.
Die extreme Unverträglichkeit vieler Stoffe machte die Dreharbeiten kompliziert und anstrengend - für uns, aber vor allem für die Protagonistinnen und Protagonisten. Menschen mit MCS sind schon im Alltag nicht besonders belastbar, eine Ausnahmesituation wie Dreharbeiten raubt ihnen noch die letzte Kraft.
Trotz aller Vorsicht musste Christian meistens die Maske tragen.Wir hatten auf konventionelle Waschmittel und Weichspüler verzichtet, auch auf Parfum. Doch sobald wir Christian auch nur die Hand schütteln wollten, musste er sich gleich die Maske aufsetzen. In unseren Kleidern hatten wir doch noch kleine Restspuren von Waschmittel mitgebracht, die sich nicht so einfach herauswaschen lassen. Das war schon genug. Ständig schaute Christian nach dem Fetzen Papier am Baum, der ihm die Windrichtung anzeigte (wegen der nahen Mülldeponie) und wechselte dementsprechend seine Position.
Schuldgefühle
Typisch ist auch, dass es in der Situation selbst gar nicht so schlimm ist, sondern dass sich dann aber ein oder zwei Tage später die Nachwirkungen einstellen. Am zweiten Drehtag war Christian unsicher, ob er den Dreh überhaupt durchstehen würde. Wir hatten am Tag zuvor im Wohnwagen gedreht - und scheinbar die Innenluft durch unsere Duftspuren belastet. Erholen vom anstrengenden Drehtag konnte er sich in dieser Umgebung natürlich nicht. Wir fühlten uns schuldig, dabei hatten wir uns wirklich Mühe gegeben.
Lia und ihr Vater vor der Schule, in der sie krank wurdeDieses ständige Gefühl, vielleicht etwas falsch zu machen, sich immer nach der anderen Person richten zu müssen, resultiert irgendwann in einer latenten Gereiztheit. So spürten wir plötzlich am eigenen Leib, welchen zusätzlichen Belastungen zum Beispiel eine Partnerschaft mit einem MCS-Kranken ausgesetzt ist und warum es für MCS-Patienten so schwierig ist, überhaupt Kontakt zur "Außenwelt" zu halten.
Allgegenwärtiger Chemiecocktail
Regelmäßig zu arbeiten, ist mit MCS kaum möglich. Unterstützung gibt es nur wenig, da die Krankheit hier im Gegensatz zu anderen Ländern kaum anerkannt ist. So geraten MCS-Kranke schnell in die völlige Isolation - ein Leben am Rande der Gesellschaft. Diese Isolation ist umso schmerzlicher, weil alle drei, Lia, Christian und Heike, eigentlich kontaktfreudige und warmherzige Menschen sind, denen in unserer Gesellschaft viele Türen verschlossen bleiben.
Am liebsten trifft sich Heike mit Freundinnen im Freien, weil sie hier besser atmen kann.
Duftstoffe und Chemikalien sind in unserem modernen Leben allgegenwärtig - ob wir wollen oder nicht. Nur wissen wir aufgrund fehlender wissenschaftlicher Untersuchungen nicht, inwieweit dieser Chemiecocktail unseren Organismus dauerhaft schädigen kann. Von daher sind unsere Protagonisten nicht "zu sensibel", sondern wahrscheinlich Opfer der zivilisierten Welt. Dass sie dazu noch um Anerkennung kämpfen müssen, ist traurig genug.
von Norbert Busè und Kathrin Sonderegger "
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