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Krebs wird schick

BeitragVerfasst: Freitag 8. Mai 2009, 18:27
von Juliane
"Es wird ein wenig schick, wenn man Krebs hat oder gehabt hat" meint der FR Autor Peter Michalzik.


"Das ist immer noch bemerkenswert: Denn Krebs hat immer noch etwas Dunkles, Geheimnisvolles, Mysteriöses. Das zeigt sich am deutlichsten darin, dass man reflexhaft denkt: Und, was hat es mit diesem Menschen zu tun, dass er jetzt an Krebs erkrankt ist, wie hat er die Krankheit durch sein Leben selbst verursacht? Krebs, das ist die Krankheit, an der wir selbst Schuld sind. Krebs ist die Schrift oder Spur unseres Lebens in unserem Körper. Seit einiger Zeit aber gibt es einen anderen Satz, der in vertraulichen Gesprächen inzwischen oft geäußert wird: Denk bloss nicht, dass Du schuld bist, dass die Krankheit etwas mit Dir zu tun hat. Als wäre das das Allerschlimmste....


Als Barbara Rudnik an Krebs erkrankte, brachte das darauf spezialisierte Medium noch Paparazzi-Photos der kahlköpfigen, von der Chemotherapie gezeichneten Schauspielerin. Das war eindeutig eine Verletzung der Intimsphäre. Als Rudnik in die Offensive ging und sich mit ihrem Stoppelkopf zeigte, als sie sagte, das sei jetzt sie, da war das eine neue Möglichkeit. Rudnik kämpfte um eine Akzeptanz der Krankheit in der Öffentlichkeit, die jetzt immer normaler wird....

So deutet sich vorsichtig, aber doch schon deutlich spürbar, etwas anderes an: Es wird ein wenig schick, wenn man Krebs hat oder gehabt hat. Man hat ein Schicksal, man steht im Leben, es geht um etwas. Man hat Narben. Man hat eine Geschichte. Man beweist Kraft. Man trägt die Zeichen der Krankheit selbstbewusst.

Am Ende haben Figuren wie Kylie Minogue, die ihre Erkrankung offensiv und aggressiv in die Öffentlichkeit getragen haben, doch etwas bewirkt. Damals wirkte das noch verzweifelt, es fühlte sich mehr krank als gesund an. Bei Schlingensief, oder auch bei Manfred Stolpe und seiner Frau, die sich vor kurzem bei Maischberger zu ihrer beider Erkrankung geäußert haben, wirkt es integriert. Auf einmal spielt da eine Art Harmonie mit, ein Einverständnis, das wir bisher bei solchen öffentlichen Intimbekenntnissen nicht kannten.

Vielleicht wird Krebs, die tödliche Metapher, eine normale Krankheit. Die Menschen, die an Krebs erkranken, werden jünger, das Muster der Risikogruppen zählt nicht mehr. Krebs, dieser eigenartige Spiegel unserer Selbst, hat uns immer auch gesagt, was unsere dunkle Seite ist. Im Moment sieht diese Seite überraschend hell aus...."


http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuilleton/?em_cnt=1745068&

Krebs wird schick

BeitragVerfasst: Freitag 8. Mai 2009, 20:13
von Annamaria
Liebe Juliane,

man könnte jetzt noch den Begriff "sekundärer Krankheitsgewinn" hinzufügen!

Andererseits könnte, sollte und müsste man an den Umwelt- und Lebensbedingungen, die uns von mächtigeren Stellen vorgegeben werden, entscheidende Verbesserungen vornehmen. Aber wer will das schon.

Lieber dumme Sprüche klopfen. Entsetzlich!

Viele Grüße
Annamaria

Krebs wird schick

BeitragVerfasst: Freitag 8. Mai 2009, 20:45
von Marcel S.
Denen bei der FR fällt auch nichts mehr Gescheites ein zu schreiben, aber das kennen wir ja schon, ist ja das erste Mal, dass am Thema vorbeigeschrieben wurde, so jedenfalls mein Empfinden.

Krebs wird schick

BeitragVerfasst: Freitag 8. Mai 2009, 22:25
von Juliane
Peter Michalzik ist kein Medizin-Journalist.

"Peter Michalzik, Jahrgang 1963, studierte Germanistik, Philosophie und Theaterwissenschaften in München. Er ist Theaterkritiker und Redakteur im Feuilleton der Frankfurter Rundschau. 1999 veröffentlichte er eine Gründgens-Biografie, 2002 eine Biografie über Siegfried Unseld."

http://www.perlentaucher.de/autoren/10620/Peter_Michalzik.html

Man fragt sich, wie eine Zeitung dazu kommt einen solchen Artikel zu veröffentlichen. Es kann ja seine Privatmeinung sein. Aber die soll er dann auch für sich behalten.

Krebs wird schick

BeitragVerfasst: Freitag 8. Mai 2009, 23:58
von Annamaria
Das erinnert mich doch glatt an Mag. Christian F. Freisleben-Teutscher.
(Das ist der self-related-Held, der in der Österreichischen Ärztewoche referiert.)
Er kommt auch aus dem Bereich der Kommunikations- und Theaterwissenschaften

http://www.xing.com/profile/ChristianF_FreislebenTeutscher

Sein aktueller Schwerpunkt: Methoden aus Theater & Kabarett

http://www.cfreisleben.net/cftmain.htm

Wenn man doch wenigstens herzhaft darüber lachen könnte!

Krebs wird schick

BeitragVerfasst: Sonntag 10. Mai 2009, 22:30
von Juliane
Vielleicht lassen die Zeitungen dämnächst gleich in Indien schreiben:

In den USA überlassen die ersten Publikationen die Berichterstattung aus Kostengründen indischen Schreibbüros. Aber lässt sich journalistische Arbeit wirklich auslagern?

http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/29168

Krebs wird schick

BeitragVerfasst: Montag 29. Juni 2009, 11:18
von Maria Magdalena
Theaterwissenschaften? Man ist also gern theatralisch. Das passt. Ist das Leben nicht eine große Bühne?

Nur verständlich, wenn manche unbegabten Komödianten die Rolle des Narren übernehmen. Dann wird aus Unfähigkeit und Inkompetenz etwas Schickes, nicht wahr?