FR-Interview
Wenn Duft krank macht
Cornelia van Rinsum über Stoffe, die manchen Menschen das Leben zur Hölle machen.
Frau van Rinsum, Sie bitten die Teilnehmer Ihrer Tagung darum, auf Duftstoffe wie Parfum, Haarspray, Rasierwasser, auf Rauchen und auf den Gebrauch von Mobilfunkgeräten zu verzichten. Ist das nicht übertrieben?
Keinesfalls. Es gibt Menschen wie mich, die auf unterschiedliche Duftstoffe reagieren. Die sind in vielen Kosmetikartikeln enthalten, in Putzmitteln, Waschmitteln, in Wunderbäumchen, Klimaanlagen.
Wie wirkt sich Ihre Krankheit auf den Alltag aus?
Ich reagiere nicht auf jeden Duftstoff. Trotzdem schränkt sie mich im Alltag sehr ein. Ich wohne im siebten Stock eines Hochhauses. Duftstoffe, Lösemittel, Rauch oder Moostod sind leicht flüchtige Substanzen und ziehen nach oben. Manchmal bekomme ich heftige Reaktionen, wenn jemand unter mir mit Weichspülern behandelte Wäsche auf den Balkon hängt, Deos versprüht oder Duftkerzen gegen Mücken benutzt. Es werden immer mehr Duftstoffe verwendet.
Wie reagieren Ihre Mitmenschen darauf?
Rücksichtnahme und Verständnis sind selten. Das ist nicht verwunderlich, denn über die möglichen gesundheitsschädigenden Wirkungen von Duftstoffsubstanzen wird kaum aufgeklärt. Leider fehlen den meisten Ärzten umweltmedizinische Kenntnisse.
Wann ist Ihre Krankheit ausgebrochen?
Im November 1997. Seit neun Jahren bin ich frühverrentet. Vorher arbeitete ich im Büro einer Immobilien- und Bauträgerfirma. Ausgebrochen ist die Krankheit, als wir mit der Firma umzogen und in den Stockwerken über und unter mir Teppichböden und Fliesen geklebt und Paneelen an den Wänden befestigt wurden. Ich war nach einer Woche krank.
Wie hat sich das geäußert?
Ich saß eine Woche mit hochrotem Kopf am Schreibtisch. Das fühlte sich an wie eine Entzündung im Kopf. Ich konnte nur noch sehr langsam arbeiten und fror am restlichen Körper. Die Symptome waren ähnlich wie bei einem schweren Infekt.
Bei wem haben Sie Hilfe gefunden?
Bei einer Umweltmedizinerin hier in der Nähe. Sie hat als Gutachterin beim Holzschutzmittelprozess mitgewirkt.
Bei Ihrer Selbsthilfegruppe suchen viele Menschen Rat. Unter welchen Stoffen leiden die meisten?
Viele haben Nahrungsmittelintoleranzen, andere Beschwerden aufgrund von Zahnmetallen.
Um welches Metall handelt es sich. Amalgam?
Ja, aber nicht nur, auch Gold und Palladium. Vor allem hat die Allergiebereitschaft auf Titan zugenommen. Der eigentliche Grund, warum ein Mensch auf bestimmte Substanzen reagiert, kann Monate oder gar Jahre zurückliegen. Manche Substanzen wie Tabakrauch wirken schon im Mutterleib.
Welche Stoffe machen Chemikaliengeschädigten außerdem zu schaffen?
Schimmel spielt eine große Rolle, aber auch Pestizide in der Landwirtschaft, Pyrethroide in Stoffen und Teppichböden, Toner in Büros, Elektrosmog durch DECT-Telephone. Die Liste ist endlos. Der heutige Mensch ist täglich einem Schadstoffgemisch ausgesetzt, dem er kaum aus dem Weg gehen kann. Es ist schwierig, eine schadstoffarme Umgebung zu finden.
Geben die Hersteller darüber keine Auskunft?
Sie müssen keine Volldeklarationen angeben. Deshalb wissen wir meist nicht, welche Substanzen in unseren Gebrauchsgütern stecken. Zudem kommen immer wieder hier schon längst verbotene Substanzen durch Importe, zum Beispiel von Stoffen oder Möbelstücken, wieder zurück nach Deutschland.
Was ist das Ziel Ihrer Tagung?
Obwohl die Statistik belegt, dass immer mehr Menschen an schadstoffinduzierten Krankheiten leiden, spielt das im öffentlichen Bewusstsein noch kaum eine Rolle. Die Tagung will einen kleinen Beitrag leisten, dies zu ändern.
Interview: Jutta Rippegather
http://www.fr-online.de/frankfurt_und_hessen/nachrichten/hessen/?em_cnt=1355143&sid=2a0432163bb7cd95645d1c4ef4c70c03