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"Lallen vor laufenden Kameras
„Mir ist bewusst, dass ich alkoholkrank bin“: So erklärte sich nun der CDU-Abgeordnete und Unions-Fraktionsvize Andreas Schockenhoff in einer Pressemitteilung. Er kündigte an, Konsequenzen zu ziehen: Er sei zu der „Überzeugung gekommen, dass ich mich in den nächsten Tagen in ärztliche Behandlung und stationäre Therapie begeben muss“. Im Herbst will er sein Amt als Vorsitzender des Bezirksverbandes Württemberg-Hohenzollern abgeben. .....
Als „unglaubliche Alkoholikerversammlung, die teilweise ganz ordinär nach Schnaps stinkt“ beschrieb Joschka Fischer den Bundestag. Von Willy Brandt gibt es unzählige Geschichten, wie der zu tiefe Blick ins Glas im Zusammenhang mit Depressionen bei seinem Abschied aus dem Kanzleramt eine Rolle spielte.
Franz Josef Strauß lallte vor laufenden Kameras. Und selbst der Deutsche Bundestag erlebte den CSU-Chef nicht nur nüchtern. Im Onlineportal Youtube schaffte es FDP-Politiker Detlef Kleinert mit einem angeheiterten Auftritt vor dem Hohen Haus zu hohen Klickzahlen. Doch bis heute trauen sich die wenigsten, es sich und anderen einzugestehen, wenn das Trinken zum Problem wird. „Für Ärzte mag Alkoholismus eine Krankheit sein. Für Politiker ist er eine Schande“, schrieb der Spiegel-Reporter Jürgen Leinemann nach dem Rücktritt von Bundesbildungsminister Rainer Ortleb Mitte der 90er Jahre. Der FDP-Politiker führte „gesundheitliche Gründe“ an. Erst die Bild-Zeitung übersetzte dies für ihre Leser und brachte die Titelzeile: „Minister Ortlieb stürzt über Alkohol“.
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Rund 1,3 Millionen Deutsche sind laut BzGA alkoholabhängig. Etwa 9,5 Millionen Menschen zwischen 18 und 65 Jahren trinken demnach mehr, als ihnen gesundheitlich guttut. Es gibt viele Hinweise darauf, dass Politiker weit überdurchschnittlich betroffen sind. Das habe mit der „Einsamkeit des Politikers zu tun“, sagte der ehemalige Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) kürzlich dem Spiegel. Er fügte hinzu, er habe „Kolleginnen und Kollegen durch den Alkohol sterben sehen“...."
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