Mitmachaktion gegen Diskriminierung MCS

Mitmachaktion gegen Diskriminierung MCS

Beitragvon Amazone » Donnerstag 14. August 2008, 16:28

Hallo zusammen,

für alle, die sich gegen die Diskriminierung von MCS und anderen Umwelterkrankungen, zur Wehr setzen wollen, hier exemplarisch als Musterbrief eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Leiter der Abt. für Psychosomatische Medizin am Universitätsklinikum Regensburg, das ich gestern rausgeschickt habe und das jeder in entsprechend abgewandelter Form als Vorlage nehmen kann.

Leute, traut Euch und setzt Euch zur Wehr!

Gruß Amazone
______________________________________________________________________________________

MUSTERBRIEF (bitte als Einzelfallbeispiel Eure eigenen Erfahrungen beschreiben)

Bayrisches Staatsministerium
für Wissenschaft, Forschung und Kunst
Salvatorstr. 2

80333 München



Fachaufsichtsbeschwerde über die Leitung der Abteilung für
Psychosomatische Medizin am Universitätsklinikum Regensburg


Sehr geehrte Damen und Herren Minister,

aufgrund von tatsachenwidrigen Darstellungen/Verfälschung von Tatsachen und Diskriminierung umweltmedizinisch erkrankter PatientInnen durch die Leitung des Universitätsklinikum Regensburg - Abteilung für Psychosomatische Medizin - erheben wir hiermit Dienst-aufsichtsbeschwerde gegen Herrn Professor Thomas Loew.
Als betroffene Patienten verwahren wir uns aufs Schärfste gegen die von ihm in Vorlesungen/Vorträgen verbreiteten falschen Behauptungen und menschenrechtsverletzenden Äußerungen und bitten Sie, diese Verstöße im Rahmen Ihrer Tätigkeit als oberste Dienstaufsichtsbehörde schnellstens zu unterbinden.


Begründung

In den Lehrveranstaltungen WS 2007/2008 zum Medizinstudium “Psychosomatik und Psychotherapie” befindet sich der Hinweis “Umweltmedizin” (Umweltbezogene Ängste=
1 Stunde)”, der auf eine Vorlesung/einen Vortrag “Psyche und Umweltbelastung” verlinkt:
http://www.uniklinikum-regensburg.de/imperia/md/content/kliniken-institute/psychosomatischemedizin/studenten/psycheundumweltbelastung.pdf

In diesem Vortrag wird den StudentInnen suggeriert, dass es sich bei Erkrankungen durch Umweltschadstoffe, wie z.B. bei der Multiple Chemical Sensitivity (MCS) um umweltbezogene Körperbeschwerden/UKB handelt, die nicht Gegenstand der ICD-10 Klassifikation sind und sich Überlappungen mit somatoformen Störungen ergeben.

Diese Behauptungen entbehren jeder wissenschaftlichen Grundlage und sind schlichtweg falsch, zumal die Hypothese der “somatoformen Störungen” im Zusammenhang mit
umweltmedizinischen Erkrankungen von den Verfassern nicht verifiziert werden kann, ganz zu schweigen davon, dass in den bis 2007 veröffentlichten wissenschaftlichen Studien ca. Dreiviertel (76%) von einer physischen Erkrankung durch Umweltschadstoffe/Chemikalien (MCS Referral & Resources, Albert Donnay: Bibliographie über wissenschaftliche Studien zu Multiple Chemical Sensitivity, http://www.mcsrr.org) ausgehen.

Des weiteren geht aus einem Schreiben des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) eindeutig hervor, dass MCS im ICD-10 GM klassifiziert ist, und zwar unter T 78.4, und dass eine Zuordnung der Erkrankungen MCS, CFS und FMS zu dem Kapitel 5 “Psychische und Verhaltensstörungen” seitens des ICD-10 nicht vorgesehen ist.

Ob es sich bei den Falschdarstellungen und Diskriminierungen sowohl von umweltmedizinischen PatientInnen als auch von Umweltmedizinern, die indirekt als Kollaborateure bezeichnet werden, seitens der Abt. für Psychosomatische Medizin am Uniklinikum Regensburg um Straftatbestände nach StGB § 186 „üble Nachrede“ und/oder § 187 „Verleumdung“ handelt, mag dahingestellt sein. Im deutschen Recht sind üble Nachrede und Verleumdung im StGB folgendermaßen definiert:
„Wer in Beziehung auf einen anderen eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen ist, Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
„Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Die Doktrin dieser sogenannten Experten führt in der Praxis erfahrungsgemäß dazu, dass betroffene PatientInnen systematisch diskriminiert, durch psychiatrische Diagnosen stigmatisiert und im gesamten Gesundheitswesen menschenunwürdig behandelt werden, da auch diese drittmittelabhängigen Institute offensichtlich der „industrie-lancierten“ psychogenen Ätiologievorstellung der Hypochondrie/Ökochondrie/Umweltbesorgnis-These verhaftet sind, die von ihnen ohne umweltmedizinisch-wissenschaftlichen Bezug verbreitet wird.

Weche Auswirkungen diese “Lehrmeinungen” in der Praxis haben, möchten wir zu Ihrem besseren Verständnis ganz kurz an einem Fallbeispiel veranschaulichen:

Ungeachtet der Nachweise einer über ein Jahrzehnt währenden Schimmelpilz- und anderen Schadstoffexposition in einer Mietwohnung und ärztlicherseits diagnostizierter MCS mit schweren Störungen des Fremdstoff-Stoffwechsels, führte die Verbreitung derartig gefärbter “Lehrmeinungen” in diesem Fall dazu, dass die Patientin unter Androhung von Sanktionen in eine psychosomatische Reha-Klinik gezwungen werden sollte, ganz zu schweigen davon, dass sogar die zusätzlich zu MCS vorhandenen multiplen Allergien in einem psychiatrischen Gutachten als Zwangsstörung bezeichnet wurden.

Um die Behauptungen dieser Herren Professoren ad absurdum zu führen:
Die betroffene Patientin leidet weder an Umweltängsten/Phobien noch an Umweltbesorgnis, sondern seit der Schimmel-/Schadstoff-Exposition in einer Mietwohnung an kardiovaskulären und anderen massiven Symptomen, die durch geringste Spuren von diversen Umweltchemikalien wie z.B. Lösemittel, Pestizide etc. sowie Schimmelpilze, deren Stoffwechselprodukte und Mykotoxine ausgelöst werden. Vor dem Bezug der belasteten Mietwohnung war sie kerngesund.

Des weiteren finden Sie anbei ein weiteres Exempel für das Gutachter(un)wesen, das auf die überall verbreitete Doktrin solcher Lehrveranstaltungen usw. zurückzuführen ist.

Im übrigen ist es nach den international anerkannten Cullen-Kriterien Stand der umwelt-medizinischen Wissenschaft, dass MCS-Patienten auf geringste Spuren für sie schädlicher Umweltschadstoffe mit massiven gesundheitlichen Beschwerden reagieren.

Sehr geehrte Damen und Herren Minister, wir hoffen, Sie können anhand dieser Ausführungen nachvollziehen, dass sich umweltmedizinische PatientInnen durch die in den Schriften/Vorträgen/Vorlesungen der “psychischen Fachbereiche” verbreiteten falschen Behauptungen und Diskriminierungen in ihren Menschenrechten verletzt sehen, und bitten Sie in Ihrer Eigenschaft als oberste Aufsichtsbehörde nochmals, dafür Sorge zu tragen, dass dies ein Ende hat.

Wir danken Ihnen für Ihre Unterstützung unseres Anliegens und sehen Ihrer diesbezüglichen Stellungnahme mit Interesse entgegen.

Mit freundlichen Grüßen
Amazone
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Mitmachaktion gegen Diskriminierung MCS

Beitragvon Juliane » Donnerstag 14. August 2008, 22:01

Hallo Amazone,

ich bin gespannt, was das Bayrisches Staatsministerium anworten wird.

Das ist eine gute Idee, eine solche Fachaufsichtsbeschwerde einzulegen.

Danke für Deine Initiative.

Liebe Grüße Juliane
Juliane
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Mitmachaktion gegen Diskriminierung MCS

Beitragvon Amazone » Donnerstag 14. August 2008, 22:45

@ Juliane,

es gibt noch jede Menge anderer Universitäten und Universitätskliniken, an denen solcher "Schwachsinn" verbreitet wird. In Erlangen setzt man z.B. Allergien mit unerfüllten Erwartungen gleich etc.

Und alle, die sich hier jedesmal im Forum empören, wenn irgendwo wieder solche Diskriminierungen und Falschdarstellungen in Bezug auf MCS, CFS u.a. umweltmedizinische Erkrankungen vorgekommen sind, können jetzt mal etwas TUN.

Viele Grüße
Amazone
Amazone
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Mitmachaktion gegen Diskriminierung MCS

Beitragvon Sonora » Donnerstag 14. August 2008, 23:13

Danke Amazone, ích werden den Brief verschicken.

Falls jemand daran interessiert ist warum,
weil ich keine Lust mehr habe mir Psychiatrisierung
gefallen zu lassen oder darüber zu lesen/hören.
Sonora
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Beitragvon Lucca » Freitag 15. August 2008, 08:36

Gute Aktion Amazone, die Diskriminierung muss ein Ende haben.
Lucca
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Mitmachaktion gegen Diskriminierung MCS

Beitragvon Juliane » Freitag 15. August 2008, 13:21

Die Frankfurter Rundschau hat heute einen Artkikel zum Thema Diskriminierung online:

"Anti-Diskriminierung

Das Recht der Anderen

Zwei Jahre ist das einst heftig umstrittene Gesetz jetzt in Kraft. Und allmählich kommt im Alltag an, dass seine Paragrafen durchaus wirksames Instrument sein können, sich gegen Benachteiligung zu wehren."
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?em_cnt=1501035&



Außerdem sucht die FR sucht Netzdetektive.

"Die Netz-Detektive

Das Konzept der Netz-Detektive ist eigentlich ganz einfach, denn jede und jeder kann Netz-Detektiv sein.

Wichtig ist bei alledem auch, dass die Blog-Regeln eingehalten werden. Posten Sie also bitte nicht einfach einen Themenvorschlag mitten in eine laufende Diskussion hinein, sondern wenden Sie sich in diesem Fall per Mail an mich (bronski [at] fr-online [punkt] de)."

http://www.frblog.de/netz-detektive

Da könnte man an das Thema Diskriminierung anknüpfen.
Juliane
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Mitmachaktion gegen Diskriminierung MCS

Beitragvon Juliane » Freitag 15. August 2008, 14:30

"Am 18. August 2006
trat das
Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz
(AGG) in Kraft. Es setzt vier europäische
Antidiskriminierungsrichtlinien in
deutsches Recht um.

Ziel
ist es, „Benachteiligungen aus
Gründen der Rasse oder wegen der
ethnischen Herkunft, des Geschlechts,
der Religion oder Weltanschauung,
einer Behinderung, des Alters oder
der sexuellen Identität zu verhindern
oder zu beseitigen".

Arbeitgeber
müssen dafür sorgen,
dass Diskriminierungen unterbleiben.
Darüber hinaus sind sie verpflichtet,
gegen Mitarbeiter vorzugehen, die
andere Kollegen diskriminieren.
Klagende
müssen zunächst mittels
Indizien glaubhaft machen, dass sie
benachteiligt wurden. Wird die Klage
zugelassen, müssen die Beklagten,
zum Beispiel Firmen, nachweisen,
dass sie nicht diskriminierend
vorgegangen sind. Bei erfolgreichen
Klagen werden Geldbußen verhängt.
Die Kläger können sich unter
Berufung auf das AGG aber nicht
einklagen.

Im Zivilrecht
erstreckt sich das Gesetz
auch auf sogenannte Massengeschäfte
(z.B. Einkaufen oder Essen gehen) und
privatrechtliche Versicherungen."

Quelle:FR 15.8.2008
Juliane
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Mitmachaktion gegen Diskriminierung MCS

Beitragvon Stier » Dienstag 19. August 2008, 22:20

hallo Amazone,

recht herzlichen Dank für deine "tolle" Arbeit. Dieser Musterbrief bringt die Diskriminierungsproblematik genau auf den Punkt.

An welche Adressen muss man sich richten bei Beschwerden z.B. in NRW, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein?

Jetzt sind wir natürlich alle auf die REAKTION des Bayrischen Staatsministeriums gespannt.
Stier
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Mitmachaktion gegen Diskriminierung MCS

Beitragvon Amazone » Mittwoch 20. August 2008, 13:38

@ Stier,

an welche Adressen man sich bei Beschwerden in NRW, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein richten muss, kann man ergoogeln und erfragen, z.B. bei den Kultusministerien oder Ministerien für Wissenschaft und Forschung etc.

Gruß Amazone
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Beitragvon Maria Magdalena » Freitag 2. Oktober 2009, 02:10

@ Amazone

Was ist aus der Fachaufsichtsbeschwerde geworden? Gab es Reaktionen?
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Mitmachaktion gegen Diskriminierung MCS

Beitragvon Mia » Freitag 2. Oktober 2009, 08:19

Hallo Amazone,

dieser Brief ist wirklich gut gelungen. Vor allem gut recherchiert, was die Rechte des Einzelnen betrifft und sehr sachlich orientiert. Sollte ein Gutachten o.ä. in nächster Zeit in meinem Fall diskriminierend ausfallen, werde ich mich mit dieser Hilfe zur Wehr setzen. Meine Schriftstücke liegen leider schon viele Jahre zurück, in denen ich, schwer krank und traumatisiert, mich kaum zur Wehr gesetzt habe. Ich kann auch nur allen raten, sich keine Unwahrheiten oder Diskriminierungen gefallen zu lassen.

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Mitmachaktion gegen Diskriminierung MCS

Beitragvon Alex » Freitag 2. Oktober 2009, 10:54

Hallo Mia,

solche Erschlagenheit von all der Skrupellosigkeit und Unmenschlichkeit kennt sicher fast jeder mit MCS.
Umso wichtiger, dass sich die unter uns die wieder stark sind, sich auf die Hinterbeine stellen, so wie Amazone es tut.

LG,
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