"Der gekaufte Staat"
Die FR berichtet heute über Medien und Lobbyismus
Hausverbot für Interessenvertreter?
VON THOMAS KLATT
"Thilo Sarrazin, heute Finanzsenator in Berlin und früher im Bundesfinanzministerium, bringt es auf den Punkt: 'Die Referate sind alle verseucht mit Verbindungen zur Privatwirtschaft, das ist doch ganz normal!'....
Es gibt nicht einmal verlässliche Zahlen, wie viele Lobbyisten sich im politischen Berlin genau tummeln. Cerstin Gammelin (Süddeutsche Zeitung) geht von etwa 3000 aus. In Brüssel hat sie 5000 gezählt. Zwar gebe es ein freiwilliges Brüsseler Lobby-Register, darin sei aber kein einziger großer deutscher Konzern registriert.....
Christine Hohmann-Dennhardt, Richterin am Bundesverfassungsgericht, stellt grundsätzlich in Frage, warum externe Fachleute und Berater überhaupt in Ministerien ein- und ausgehen dürfen und denkt über ein grundsätzliches Hausverbot für Lobbyisten nach. Die um sich greifende Kommissionitis, der Glaube an die alleinige Fachkompetenz der Privatwirtschaft habe zur Schwächung der parlamentarischen Demokratie geführt. Lobbyisten hätten aber weder zur Mitregierung noch für die Formulierung von Gesetzesentwürfen ein politisches Mandat.....
'Die PR-Leute müssen den Journalisten gar nicht mehr hinterher rennen, die Situation hat sich völlig gedreht', meint Kocks. Auch Journalisten ließen sich gerne durch Fünf-Sterne-Kongresse und Vergünstigungen umgarnen. "Exklusivmaterial" von Firmen oder Pressetexte würden als redaktionelle Beiträge verwendet und "wissenschaftliche Untersuchungen" als objektive Studien zitiert, ohne nach dem Auftraggeber zu fragen.....
Die Marketing-Strategie des green washing, also der Schönfärberei, und des Corporate Social Responsibility, das Unternehmen als Umwelt- und Sozialpartner der Menschen in vorteilhaftes Licht rücken möchte, verleite Journalisten rasch, nicht mehr kritisch nach den Schwachpunkten der Firmenpolitik zu fragen....
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/medien/?em_cnt=1598674&