FMS wird laut BEK oft falsch behandelt

FMS wird laut BEK oft falsch behandelt

Beitragvon Clarissa » Donnerstag 11. November 2010, 12:23

Fibromyalgie: Schmerzsyndrom wird falsch behandelt

(lifepr) Berlin, 11.11.2010, Die chronische Schmerzerkrankung Fibromyalgie wird in Deutschland oft falsch behandelt. Eher skeptisch müsse damit die Wirkung einer vor zwei Jahren veröffentlichten interdisziplinären Leitlinie beurteilt werden. Zu diesem Schluss kommt die BARMER GEK bei der Analyse von Versorgungsdaten. "Wir haben die Versorgung von rund 20.000 Patienten ausgewertet. Das Ergebnis ist ernüchternd. Offenbar ist die Leitlinie zur Behandlung dieser komplexen chronischen Schmerzerkrankung noch längst nicht in der Versorgungsrealität angekommen. In allen Versorgungsbereichen ist die evidenzbasierte leitliniengerechte Verordnungsweise eher die Ausnahme, Fehl- und Überversorgung die Regel", bilanziert die Schmerzmedizinerin Dr. Ursula Marschall, Leiterin des Kompetenzzentrums Gesundheit der BARMER GEK.

Ausgangspunkt der Studie sind ambulante Abrechnungsdaten von rund 15.000 Versicherten, die zwischen 2007 und 2008 bei der ehemaligen BARMER versichert waren und aufgrund der Diagnose Fibromyalgiesyndrom mindestens zweimal ambulant behandelt wurden. Außerdem haben die Wissenschaftler Arzneimittelverordnungen und stationäre Behandlungsdaten zwischen Juli 2008 und Juni 2009 ausgewertet, so dass weitere 5000 Personen in die Analyse einbezogen werden konnten.

Im Bereich der Medikamentenverordnungen liegen Versorgungsrealität und Behandlungsleitlinie besonders weit auseinander: 48 Prozent der Patienten erhielten Antirheumatika wie Ibuprofen oder Diclofenac oder Naproxen, 11 Prozent sogar starke Opiate - entgegen der ausdrücklichen Leitlinienempfehlung. Bedenklich stimmt auch der breite Einsatz von Psychopharmaka, die 56 Prozent der Patienten erhielten. Acht Wirkstoffe sind in der FMS-Leitlinie empfohlen, verordnet wurden 85.

Auch im stationären Bereich dominieren die medikamentöse Therapie und ein eher organisch ausgeprägtes Schmerzverständnis. Von den zehn häufigsten schmerztherapeutischen Prozeduren im Krankenhaus sind 60 Prozent interventionelle Verfahren, also Injektionen oder Infusionen von Medikamenten, auch in die Wirbelsäule. Lediglich 14 Prozent entfallen auf die leitliniengerechte Behandlung mit einer multimodalen Schmerztherapie.

Die Leitlinie empfiehlt auch im ambulanten Bereich keine Durchführung von invasiven Verfahren. Dennoch findet etwa Akupunktur als alleinige Therapie breite Anwendung. Kritisch ist zudem wegen deren passiven Charakters die hohe Zahl von Physiotherapie-Verordnungen für FMS-Patienten. Für den nachhaltigen Therapieerfolg erscheinen Massageverordnungen und Kälte-Wärme-Anwendungen ungeeignet. Den schweren Stand für eine evidenzbasierte Behandlung erklärt Marschall mit drei Faktoren: "Die Fehlversorgung mit invasiven Maßnahmen wird durch Abrechnungsanreize ausgelöst. Hinzu kommen der Patientenwunsch nach Beschwerdelinderung und vergebliche ärztliche Versuche, einen chronischen Schmerz in mehreren Körperregionen lokal zu behandeln."

Das Fibromyalgiesyndrom wird in der medizinischen Fachwelt kontrovers diskutiert, Ausmaß und Abgrenzung sind umstritten. Gleichwohl gehen Expertenschätzungen davon aus, dass rund zwei Prozent der erwachsenen Bevölkerung unter der chronischen Schmerzerkrankung leiden. Zur Symptomatik gehören Ganzkörperschmerz und vielfältige Organbeschwerden, wobei Frauen rund sechsmal häufiger betroffen sind als Männer.

Die Ergebnisse der Studie sind zusammengefasst in "Das Fibromyalgiesyndrom. Dilemma zwischen Leitlinie und Versorgungsrealität". Von Ursula Marschall und Andreas Wolik. In: BARMER GEK Gesundheitswesen aktuell 2010, hrsg. v. Uwe Repschläger et. al., Wuppertal 2010, S. 212 - 238.

Quelle: http://www.lifepr.de/pressemeldungen/barmer-gek/boxid/199831
Und allen Leugnern zum Trotz, im DIMDI
ICD-10-GM Version 2018 - Stand Oktober 2017 ist MCS immer noch im Thesaurus unter
T 78.4 zu finden und wirklich nur dort und an keiner anderen Stelle!
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FMS wird laut BEK oft falsch behandelt

Beitragvon Mia » Donnerstag 11. November 2010, 14:57

Habe gelesen, dass Tai Chi(Schattenboxen) die Schmerzen bei Fibromyalgie positiv beeinflussen kann.
Ob diese Meldung seriös ist, weiß ich nicht.

http://www.antiagingnews.net/nc/newsletter-archiv/news-einzelansicht/date////schatte...
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FMS wird laut BEK oft falsch behandelt

Beitragvon Lulabee » Donnerstag 11. November 2010, 15:33

Na dann soll die BEK den Ärzten für diese Fehlbehandlungen mal richtig Dampf macht, bzw. nicht dafür aufkommen!

"...11 Prozent sogar starke Opiate - entgegen der ausdrücklichen Leitlinienempfehlung. Bedenklich stimmt auch der breite Einsatz von Psychopharmaka, die 56 Prozent der Patienten erhielten. Acht Wirkstoffe sind in der FMS-Leitlinie empfohlen, verordnet wurden 85. "
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Beitragvon Juliane » Donnerstag 11. November 2010, 18:25

Die AWMF Leitlininien sind mittlerweile schon eine Wissenschaft für sich:

Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie des Fibromyalgiesyndroms

Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und ärztliche Psychotherapie (DGPM)
Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh)
Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS)
Deutsches Kollegium für Psychosomatische Medizin (DKPM)
Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR)

http://www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/041-004l.htm
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Beitragvon Juliane » Donnerstag 11. November 2010, 18:29

Auch ein Thema in den Leitlinien:

Zitat

Auch wurden bei Patienten mit FMS Polymorphismen im Gen der Catechol-O-Methyltransferase (COMT) und im Dopamin-Rezeptor D4 gefunden

http://www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/041-004l.htm



In der Schweiz sieht man das so:

Fibromyalgie zwischen Erbgut und Psyche

F O R S C H U N G . C H

Ein Polymorphismus beim
COMT-Enzym (Val158Met) tritt bei den Patienten

mit Fibromyalgie ähnlich häufig auf wie in der

Kontrollgruppe. Bei jenen, die diesen Polymorphismus

haben, kommen jedoch regelmässig

schwerere psychologische und funktionale

Aspekte zum Tragen......

Diese Ergebnisse werfen die Frage auf nach einer

möglichen Rolle genetischer Faktoren für die

psychische Anfälligkeit, die bei Fibromyalgiepatienten

häufig festgestellt wurde. Das Vorhandensein

eines Polymorphismus könnte nämlich

die Ausprägung der Störung begünstigen. Unsere

Beobachtungen legen den Schluss nahe, dass eine

veränderte Aktivität des COMT-Enzyms im Monoaminstoffwechsel

die Expression der psychologischen

und funktionalen Variablen beeinflussen

kann. Allerdings sind die der Fibromyalgie zugrunde

liegenden Mechanismen eindeutig komplexer,

als dass eine einfache Substitution einer

Aminosäure in einem bestimmten Gen die alleinige

Ursache wäre.....

http://www.medicalforum.ch/pdf/pdf_d/2009/2009-13/2009-13-016.PDF
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Beitragvon Alex » Donnerstag 11. November 2010, 18:41

Die Uni Trier veröffentlichte

Die Einflüsse von Catecholmethyltransferase (COMT) und Psychosozial Faktoren auf Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom symptomatik und komorbid Verhaltensstörung

ABSTRACT: Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) beeinflusst das Leben von etwa 5 % aller Schulkinder.In dieser Arbeit wurde die Interaktion zwichen Umweltsfaktoren und ein Einzelnukleotid-Polymorphismen in dem Katechol-O-Methyl-Transferase (COMT) Gene in ADHS Kinder untersucht. Diese Studie konnte zeigen, dass der Polymorphism assoziiert mit ADHS war, rauchen im Schwangerschaft führte zu mehr schwieriger ADHS Symptomatik und negativen Familienverhältnisse erhöhen die Risiko für komorbide Verhaltensstörung.


Pálmason, Haukur
URL: http://ubt.opus.hbz-nrw.de/volltexte/2010/562/

http://ubt.opus.hbz-nrw.de/frontdoor.php?source_opus=562&la=de
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FMS wird laut BEK oft falsch behandelt

Beitragvon Juliane » Donnerstag 11. November 2010, 19:08

Interessant auch die Verteilung der Genvarianten bei der einheimischen Bevölkerungsgruppe, Alex.


Zitat aus einer neueren Dissertation:


"Die Catechol-O-Methyltransferase (COMT) ist neben der Monoaminoxidase das entscheidende

Enzym im Katabolismus der Katecholamine im Gehirn des Menschen. Die Enzymaktivität der

COMT in menschlichen Geweben zeigt ein genetisch polymorphes Verhalten, als dessen Ursache

die Substitution der Aminosäure Valin gegen Methionin an Position 108 (für das Isoenzym SCOMT)

bzw. 158 (für das Isoenzym MB-COMT), bedingt durch einen
single nucleotide

polymorphism
(SNP) identifiziert werden konnte. Die drei Genotypen dieses COMT Val108/158Met-

Polymorphismus sind in der mitteleuropäischen Bevölkerung annähernd gleichverteilt, wobei der

Met/Met-Genotyp mit einer niedrigen, der Met/Val-Genotyp mit einer intermediären und der

Val/Val-Genotyp mit einer hohen Enzymaktivität assoziiert ist...."


http://deposit.d-nb.de/cgi-bin/dokserv?idn=985408286&dok_var=d1&dok_ext=pdf&filename=985408286.pdf
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Beitragvon Juliane » Donnerstag 11. November 2010, 19:31

Und das schrieb Kurt Müller

Das Enzym Catechol-O-Methyltransferase (COMT) wurde 1958 erstmals von Axelrod et al. beschrieben. Es wird bei dem Abbau der Katecholamine ebenso benötigt wie für die Methylierung von Arzneimitteln und Xenobiotika. Zwei Formen von COMT sind bekannt: das in Wasser lösliche S-COMT des Zytoplasmas und das an Membranen gebundene MB-COMT. Letzteres überwiegt im Gehirn, während S-COMT im restlichen Organismus in größerer Menge vorkommt. Genetische Polymorphismen reduzieren die Aktivität dieses Enzyms, wodurch kognitive Leistungen gemindert und die Bereitschaft zur Aggressivität erhöht sein können. Schizophrenie, bipolare Störungen, psychotische Reaktionen bei der Alzheimerkrankheit sowie bei Frauen eine Häufung von Karzinomen des Endometrium und der Brustdrüse wurden beschrieben. Die Beanspruchung der Kapazität zur Methylierung bei der Metabolisierung von Xenobiotika kann die Katabolisierung der Katecholamine mindern und Trigger bei der Auslösung solcher Krankheiten sein. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass es in Kenntnis des Phänotyps des COMT- Defizit zuverlässig gelingt, Risikopersonen mit geminderter Enzymaktivität zu identifizieren und dies in der genetischen Untersuchung zu bestätigen. Es können so gefährdete Menschen noch vor der Manifestation von Krankheit erkannt und vorbeugend beraten werden. Umweltmedizin und genetische Diagnostik spielen für die Prävention, aber auch für die Überwachung von Triggerfaktoren eine große Rolle.

http://www.umg-verlag.de/umwelt-medizin-gesellschaft/407_mue.html
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Beitragvon Juliane » Donnerstag 11. November 2010, 19:32

Aber denken wir immer dran:

Die drei Genotypen dieses COMT Val108/158Met-

Polymorphismus sind in der mitteleuropäischen Bevölkerung annähernd gleichverteilt, wobei der

Met/Met-Genotyp mit einer niedrigen, der Met/Val-Genotyp mit einer intermediären und der

Val/Val-Genotyp mit einer hohen Enzymaktivität assoziiert ist...."


http://deposit.d-nb.de/cgi-bin/dokserv?idn=985408286&dok_var=d1&dok_ext=pdf&filename=985408286.pdf
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