Das Gesundheitswesen lebt davon, eingetretene Schäden und Krankheiten zu reparieren, anstatt die Bedingungen zum Ausbruch der Krankheit zu beseitigen oder zu verhindern. Ein effektiver Umweltschutz und ein Ersatz von langzeittoxischen Chemikalien aus vielfachen Verbrauchsgegenständen und aus derproduzierenden Industrie und der industriemäßig betriebenen Landwirtschaft würde die Grundlagen der Gewinnerzielung aus einer reparativen Medizin behindern. Somit sind Gesundheitsprävention und wirksame Vorsorgemaßnahmen im Bereich umweltbedingter Erkrankungen mit dem derzeitigen Gesundheits- und Wirtschaftssystem nicht vereinbar.
Würde sich in der Medizin ein stärker auf Prävention ausgerichteter Betrieb, also die Verminderung der auslösenden Krankheitsfaktoren wie Umweltschadstoffe, Lärm oder elektromangnetische Mobilfunkstrahlung durchsetzen, würde der herkömmliche Reparaturbetrieb teilweise überflüssig. Dieser Reparaturbetrieb will sich als System aber selbst erhalten. So ist es zu verstehen, wenn schulmedizinisch ausgerichtete Praktiker den Ansatz der klinischen Umweltmedizin ablehnen, bei chronisch entzündlichen Krankheiten auch nach Ursachenfaktoren in der Lebens- und Arbeitswelt der betroffenen Patienten zu suchen. Sie schauen lieber in die von der Pharmaindustrie gelieferten Computerprogramme, die zu jedem Symptom das passende Medikament auswerfen. So erfüllen sie die Standards der „Zweiminuten-Medizin“, schicken die Patienten mit dem Rezept in die Apotheke, ohne (in der Regel) nach sorgfältiger Anamnese ein Therapiekonzept zu entwickeln, das auch Ursachenfaktoren im Leben der Patienten einbezieht. Gleichzeitig werden diese Mediziner immer mehr abhängig von der Pharmaindustrie und deren „Betreuer“, den Pharmareferenten. Die Pharmaindustrie konditioniert viele praktizierende Mediziner nach dem Pawlowschen Prinzip: Kleine Belohnungen verschönern den Alltag, wenn der Arzt artig Medikamente verschreibt und Symtome repariert.
Beispiel hierzu: Die Pharmaindustrie belohnt in einem so genannten „Kick-Back-Verfahren“ Ärzte, die Patienten zu bestimmten Fachkollegen schicken, die mit der Pharmaindustrie verbandelt sind. Das sei weit verbreitet, aber nicht beweisbar, sagte Christian Körber von der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs in Bad Homburg (laut dpa, 29.6.07). Außerdem: Bundesdeutsche Mediziner führten 2008 fast 2000 Anwendungsstudien mit Medikamenten des Pharmakonzerns Bayer durch. Dafür zahlt die Firma Bayer den Ärzten Geld, wenn diese ihre Patienten auf firmeneigene Medikamente umstellen und dabei einige Angaben zu deren Verträglichkeit machen. Das Ausfüllen der Fragebögen lohnt sich für Ärzte sehr. So soll Bayer einem Arzt 375 Euro dafür bezahlt haben, das er fünf neue Patienten auf den Bayer-Blutdrucksenker „Bayotensin“ umgestellt hatte (Angaben nach Stichwort Bayer, 2009).
aus Hill, Huber,Müller: Multiple Chemikalien-Sensitivität,2010, Seite 305 - 306
- Editiert von Kira am 30.12.2011, 08:57 -