Nachfolgend ein Erfahrungsbericht der Selbsthilfegruppe für Chemikaliengeschädigte Wiesbaden, die bei den Hessischen Gesundheitstagen am Rathaus von Wiesbaden einen Infostand hatten. Herr Hill bat mich darum Euch diese Informationen zu übermitteln.
Gesundheitstage 22. und 23.8.08 am Rathaus in Wiesbaden:
erschreckende Erfahrungen!
An den genannten Tagen hatte unsere Selbsthilfegruppe für Chemikaliengeschädigte am Rathaus Wiesbaden einen Informationsstand, an dem wir Beratungsgespräche für Betroffene durchführten und Info-Material über Umweltchemikalien und ihre Wirkungen verteilten.
Wir mussten erneut und diesmal in weitaus stärkerem Umfang feststellen, dass es eine Vielzahl von Menschen gibt, die an schweren chronischen Krankheiten leiden, die aber vom Gesundheitssystem einschließlich der Krankenkassen, Berufsgenossenschaften sowie von Ärzten und Kliniken völlig im Stich gelassen werden. Die Begründungen klingen gleich: "Was, Sie sind Hartz IV? Sie können keine Zuzahlungen für Therapien leisten? Dann tut es uns leid, Sie sind im Rahmen der Kassenleistungen austherapiert!" Mögliche umweltbedingte Ursachen für die Krankheiten werden grundsätzlich in Frage gestellt oder abgelehnt. Für eine notwendige Diagnostik würden Zeit und Geld fehlen. "Wir können Sie aber in eine psychiatrische oder psychosomatische Klinik überweisen, das zahlt auch die Kasse", das ist die Standardlösung für Sozialhilfe-Empfänger.
Besonders erschreckend war,dass es meist junge Betroffene waren, im Alter zwischen 30 und 40 Jahren, arbeitunfähig, verzweifelt, hilflos und vom Medizinsystem abgeschoben. Darunter z.B. eine junge Frau, alleinerziehend, arbeitslos, Hartz-IV, die Haut von Ekzemen entstellt, in der Krankengeschichte massive Chemikalienbelastungen, darunter Anästhetika als ehemalige OP-Schwester, Wohnung gekündigt und ab Mitte September obdachlos. Die Ärzte verweigern notwendige Allergie- und Autoimmun-Diagnostik, weil Spezialtests nicht im Krankenkassen-Katalog stehen. Solche Menschen, mindestens etwa 10 ähnliche Fälle, kamen zum Stand unserer SHG und erwarteten Hilfe von uns, die wir selbst betroffen sind.
Muss man noch viele Worte verlieren über das grundlegende Versagen dieses Gesundheitssystems? Ein System, in dem das Budget der Ärzte und die staatlich verordnete Deckelung Priorität vor dem ärztlichen Auftrag zur Hilfe haben?
Wir haben den Eindruck, dass sich hier ein sozialer Sprengstoff ansammelt, der, wenn er einmal explodiert, unbeherrschbar sein wird, wenn nicht bald grundlegende Änderungen zu Gunsten der Patienten speziell im Bereich der Umweltmedizin und der Umwelt-Vorsorge geschehen. Hier sind Menschen, die außer einem elenden Leben nichts mehr zu verlieren haben!
Wiesbaden, 24.8.08, H.U. Hill